Ina Morbach im Gespräch: Von kaputten Zäunen und warmen Nüstern
IPSM – was ihr Instagram-Name bedeutet, verrät Ina Morbach nicht. Auf ihrem Account teilt sie ihr Leben mit ihrer Ranchgang. Sie hat Frack und Zylinder gegen Gummistiefel im eigenen Offenstall getauscht. Denn: Die Eifel kann sehr verregnet sein!
Autorin: Ines Vollmer
Foto: Maike Tombersw
„Für Außenstehende scheint das ziemlich verrückt, aber für das Herz gibt es nichts Schöneres, wenn man es einmal erlebt hat.“
Du betreibst euren eigenen Offenstall, den du liebevoll als „eure Ranch“ bezeichnest, gemeinsam mit deinen Eltern auf deren Grundstück. Wann und wie ist es zu eurem eigenen Stall gekommen?
Seit ich denken kann, bin ich pferdebegeistert und habe gleichzeitig das Glück, dass meine Mutter mindestens genauso pferdeverrückt ist und von Kindesbeinen an mit Pferden zu tun hat. Deshalb war schon immer unser Traum, irgendwann die eigenen Pferde am Haus zu haben.
Als ich zehn Jahre alt war, bekam ich zunächst mein eigenes Pferd „Rasant“, der wie vielerorts üblich, in einem anderen Stall eingestellt war. Zu dem Zeitpunkt war es für meine Eltern beruhigend zu wissen, dass ich in dem Stall gemeinsam mit meinem Pferd gut aufgehoben war. Viele Jahre später, 2017, haben unsere Eltern dann entschieden, dass wir nun unseren eigenen Stall bauen und das Ganze als Familienprojekt angehen werden. Damit wurde unser Traum Wirklichkeit. An dieser Stelle sei gesagt, dass es ohne unsere Familie und den Rückhalt meiner Eltern die Ranch nicht geben würde. Ich könnte es allein neben Haupt- und Nebenberuf absolut nicht stemmen. Es ist unser kleines „Familienunternehmen“, was die Sache umso schöner macht.
Wie meisterst du den Alltag mit fünf Pferden, ihrer Versorgung, der Stallarbeit und dem Reiten? An dieser Stelle sei erwähnt, dass du selbst auch berufstätig bist.
Die Antwort ist simpel: Routine. Dadurch, dass ich nicht direkt an der Ranch wohne, übernimmt meine Mutter morgens vor der Arbeit die Stallarbeit und ich übernehme den Abenddienst. Ohne das Netzwerk Familie wäre es in dem Ausmaß tatsächlich nicht möglich. Für uns ist es keine Arbeit mehr, da wir es alle einfach gerne machen. Dadurch, dass wir alle beteiligt sind, ist der Berg an Arbeit kleiner. Es hilft in vielen Lebenslagen abzuschalten und den Kopf frei zu bekommen. Um diesen Zusammenhalt und die Einstellung bin ich mehr als froh. Im Umkehrschluss ermöglichen wir es uns trotzdem, beispielsweise zu reisen. Vor der Ranch wusste ich allerdings auch nicht, dass man so viel Zeit mit Zäunen reparieren zubringen kann. Jeder, der seine Tiere in Eigenregie hält, wird nun wissend lächeln. Es ist immer etwas zu tun, wird aber dadurch auch nie langweilig. Jeder Pferdeliebhaber kennt das: Man tut einfach alles für diese wunderbaren Tiere.
Auch Katze Nala gehört zur Ranchgang.
Foto: Maike Tombersw
Warum ist es deiner Meinung nach erstrebenswert, sich auch in der Haltung frei von Vorgaben Dritter zu machen und sein eigener Herr zu sein?
Sowohl Rasant als auch Felina waren zunächst ein Jahr lang in einem Stall eingestellt. Zu dieser Zeit sagte ein Freund zu mir: „Ina, wenn du einmal in den Genuss gekommen bist, dass du deine Pferde als Selbstversorger im Offenstall hattest, wirst du es niemals mehr anders wollen. Du wirst irgendwann anders über die Boxenhaltung denken.“ Das sind Worte, an die ich mich oft zurückerinnere, wenn ich jetzt an Pferdeboxen vorbeigehe. Ich könnte es nicht mehr mit mir vereinbaren, meine Pferde in Boxen einzustellen, weil ich weiß, wie viel sie sich bewegen. Sie gehen zum Beispiel von der Heuraufe zum Wasserfass und interagieren in der Herde sowie in Gruppenbewegung. Die Ponys haben mehrmals am Tag ihre 15 verrückten Minuten und rasen und toben über das Paddock. Das sind die Momente, die uns bestätigen, dass wir alles richtig gemacht haben.
Luxus ist, dass wir die Pferde von morgens an um uns haben können. Beim Misten sind immer vier Paar Nüstern dabei. Die Ponys stehen selbstverständlich bei der Stallarbeit immer im Weg, doch ist es einfach schön, das gemeinsame Miteinander zu genießen. An Tagen, an denen es nur regnet, hat man so trotzdem die Nähe zu den Pferden, weil man sowieso zum täglichen Versorgen da ist. Meine Mutter geht sogar so weit zu sagen, dass sie die Pferde auch halten würde, wenn sie nicht reiten könnte. Einfach nur, damit sie bei uns sind und wir es genießen können. Für Außenstehende scheint das ziemlich verrückt, doch für das Herz gibt es nichts Schöneres, wenn man es einmal erlebt hat.
Was machst du mit deinen Pferden, wenn das Wetter Reiten oder anderweitige Bewegung draußen nicht zulässt? Stichwort dunkle und nasse Jahreszeit, aber keine eigene Reithalle?
Grundlegend habe ich mir die Frage in den letzten sehr stark verregneten Wochen auch gestellt, weil man durch die Pferde im Offenstall die Prioritäten anders setzen und umdenken muss. Es bleibt oft nur das Wochenende, an dem man sich wetterfest anzieht und mit Reitplänen zur Ranch stiefelt.
Ich liebe es auszureiten und andere Dinge mit den Pferden zu machen, wie Bodenarbeit und Spaziergänge. Ich konnte mich davon freimachen, mich unbedingt mit anderen messen zu müssen und zu ehrgeizig an die Reiterei heranzugehen. Das Jahr hat 365 Tage; das bedeutet sehr viel Regen in der Eifel. Unsere Pferde sind Familienmitglieder und Freunde geworden. Das Zusammenleben und Sein steht bei uns im Vordergrund. Man beginnt, anders zu denken und die Pferde anders zu verstehen, wenn man in Eigenregie mit ihnen Zeit verbringt, im Hier und Jetzt.
Mein Mindset wurde mehr und mehr: Du hast die Pferde bei dir am Haus, allen geht es gut, sie sind gesund und munter und fühlen sich wohl. Wenn sie mal eine Woche nicht unter den Sattel kommen – denn bewegen tun sie sich im Offenstall trotzdem –, ist es nicht schlimm. Damit leben wir mittlerweile gut, und wenn das Setting aus Wetter und Trainingsmöglichkeiten mal wieder passt, werden wir auch zum Turnier fahren. Stand heute sind wir tatsächlich Freizeitreiter geworden, und das ist völlig gut so.
Sich nicht so ernst nehmen und mit den Pferden Spaß haben steht mittlerweile ganz oben auf der To-do-Liste der Influencerin. Da geht es dann auch mal ohne Sattel auf der Dressurstute Felina los.
Foto: Maike Tombersw
„Dieses Glücksgefühl gemeinsam mit meinem Pferd ist unbezahlbar. Das kann für mich kein Turniererfolg der Welt ersetzen.“
Bist du in eurem heutigen Setting ohne den großen Turniersport glücklich? Was sind heute „die entscheidenden Momente“ für dich mit deinen Pferden?
Das Turnierreitersein lebe ich trotzdem, aber eben just for fun! Immer mal werden wir dabei sein, aber so wie es heute ist, bin ich mit unseren Pferden glücklich. Wir können trotzdem oder sogar auch deshalb den einen oder anderen Erfolg mit nach Hause nehmen, da es Felina auf diese Art und Weise einfach besser geht. Die Momente, die wirklich glücklich machen – vor drei Jahren zum Beispiel war die Geburt von meinem Fohlen Cruso und dass wir das bis heute so gut geschafft haben mit ihm. Dann war ich mit Felina am Meer im Urlaub, ein unvergessliches Erlebnis. Auch die ganzen neuen Bekanntschaften, die durch die Pferde- und Reitszene durch Social Media oder Events entstanden sind, geben unglaublich viel.
Es sind kleine Momente, die einen glücklich machen. Vor Kurzem waren wir zum Beispiel im Gelände und es lag ein Baumstamm über unserem Weg. Wir sind aber seit sieben Jahren nicht mehr gesprungen. Ich habe mich in der Situation gut gefühlt und Felina war entspannt, also haben wir es einfach versucht. Was soll ich sagen: ein Traum! Wir sind drüber gesprungen und dieses Glücksgefühl gemeinsam mit meinem Pferd ist unbezahlbar. Das kann für mich kein Turniererfolg der Welt ersetzen.
Ein Schicksalsschlag mit euren Vierbeinern war für dich der Reitunfall deiner Mutter mit ihrem Pferd. Was machen solche Erlebnisse mit dir?
Wir haben es mit Tieren zu tun, es sind keine Maschinen. Unfälle passieren, und gerade im Reitsport kann viel passieren. So war es dann leider auch bei uns, im Speziellen bei meiner Mutter. Wir wollten damals zu einem Ausritt aufbrechen. Leider ist Jamil dann auf einer Teerstraße losgestürmt, und sie hing am Sattel fest, als er die Straße weiter galoppierte. Sie steigt heute völlig normal wieder auf ihr Pferd. Für mich als Tochter hat das alles nachhaltiger etwas mit mir gemacht. Logischerweise triggert solch ein Erlebnis wohl gewisse Urängste. Ich arbeite daran, auch das für mich loslassen zu können und das Erlebte aufzuarbeiten. Unter anderem möchte ich perspektivisch mit einer Reittrainerin arbeiten, die sich mit dem Thema Angstbewältigung auskennt. Wenn ich Jamil, den Araber meiner Mutter, heute reite, merkt er natürlich sofort, dass ich nicht mit einem guten und entspannten Gefühl auf ihm sitze. Er ist rassetypisch sehr feinfühlig und merkt meine Unsicherheit und dass ich angespannt bin sofort. Meine Mutter galoppiert mit ihm wieder völlig unbeschwert durch die Wälder. Für mich steht hierfür tatsächlich noch etwas Arbeit an. Mit Felina war das zum Glück niemals ein Thema, aber bei Jamil muss ich für mich beim Thema Reiten wieder Vertrauen fassen.
Die bunt gemischte Pferdebande bereichert das Leben von Ina und ihrer Familie jeden Tag.
Foto: Maike Tombersw
Zu euren Pferden zählen sowohl klassische Reitsportpferde als auch Shetlandponys und der Araber deiner Mutter. War das geplant – was macht deine „Ranchgang“ aus?
Felina war das erste Pferd von den heutigen fünf, die bei uns auf der Ranch leben. Sie habe ich mir damals zu meinem mittlerweile verstorbenen Rasant als Dressur-Nachwuchspferd gekauft. Ich wollte auf jeden Fall eine schwarze Stute mit Dressurabstammung. Und eine Stute suchte ich tatsächlich damals schon mit dem Traum, dass man daraus irgendwann ein Fohlen ziehen könnte. Meine Mutter hingegen wollte immer einen Araber, aber tatsächlich ist Jamil das, was sie eigentlich nicht gesucht hatte. Aus der gesuchten, schon ausgebildeten schwarzen Araberstute ist damals dann ein roher Schimmelhengst geworden.
Unsere Ponys waren gar nicht geplant. Zu ihnen kamen wir wie die Jungfrau zum Kinde. Felina stand zunächst nur mit einer weiteren Stute als Beistellpferd auf der Ranch, bevor wir Jamil gekauft hatten. Leider ließen sich die beiden Stuten dann nicht mehr trennen, und ich konnte nicht mehr allein mit meinem Pferd ausreiten. Das war tatsächlich ein Problem. Pferdebesitzer wissen, was nun passierte: Es musste ein dritter Vierbeiner als Gesellschaft her. Daraufhin wurden wir auf zwei Ponys aufmerksam, die beim Tierschutz aufgenommen worden waren. Unsere Einstellung vor dem Besuch war: Wir nehmen nie im Leben zwei Shetlandponys auf! Dann sind wir hingefahren, haben über die Boxentür geschaut und sind mit zwei Ponys nach Hause gefahren.
Zu den Charakteren kann man nur sagen – und auch da muss ich wirklich lachen –: Sie vertreten alle sowas von typisch ihre Rassen! Felina, als Hannoveranerstute und Turnierpferd gezogen, ist wirklich allen Klischees entsprechend sehr sensibel. Ganz nach dem Motto: „Es ist kalt, ich brauche eine Decke!“ Jamil als Araber ist sehr menschenbezogen. Jeder, der die Einfahrt zur Ranch Richtung Stall kommt, wird herzlich mit einem Wiehern begrüßt. Wir sagen immer, dass er uns tief in die Augen schaut und einfach versteht. Der kleine gepunktete Shico, wie soll ich es sagen, sieht genauso aus, wie er ist: einfach nur frech! Typisch Shetty, geht er durch jeden Zaun und macht, was er will. Paulo hingegen, unser kleiner Charmeur, ist ein absolutes Kinderpony und ein wirklich treuer Freund. Und Cruso, unser Jungspund, ist momentan ein großes Baby. Er weiß noch nicht, dass er ein sehr großes, sportliches Warmblut wird.
„In meinen Träumen lebe ich auf einer kanadischen Ranch, inmitten der Rocky Mountains, in unendlichen Weiten …“, schreibst du auf Instagram – es ist zwar nicht Nordamerika, aber lebst du schon heute deinen Traum?
Ich lebe wirklich jeden Tag meinen absoluten Traum. Als Kind war mein Traum, ein eigenes Pferd zu haben, was dann tatsächlich als ich zehn Jahre alt war, mit Rasant in Erfüllung ging. Darauf folgte dann mit den fortschreitenden Jahren der Traum, einen eigenen Stall zu haben, und auch das ist Realität geworden. Wir wollten eigentlich nur zwei Pferde und haben nun fünf! Das, was wir heute haben, überschreitet all meine Kindheitsträume.
Die kanadische Ranch mit den meilenweiten Feldern und Wiesen war bei unserem eigenen Projekt vielleicht sogar ein kleiner Antriebsgeber und schwirrt natürlich als Motivation in meinem Kopf herum. Aber ich muss sagen, dass ich durch und durch ein Eifelkind bin und durch die Pferde auch noch nie wirklich weg war aus der Heimat. Auswandern und von hier weggehen käme für mich nicht infrage. Wenn ich ehrlich bin, habe ich meinen eigenen, etwas kleineren kanadischen Traum mit unserer Ranch vor der Haustür. Ich würde nichts ändern wollen, trotz wochenlangem Regen oder oder oder. Ich bin einfach absolut zufrieden. Mein Lebensmotto lautet „you only live once“, jeden Tag leben, als wäre es der letzte, und das Leben mit den Pferden genießen. Das tue ich jeden Tag. 365-mal im Jahr.
Mehr Artikel aus dieser Ausgabe
Marathon zu Pferd
Distanzreiten, auch bekannt als „Marathon zu Pferd“, ist eng mit dem arabischen Pferd verbunden. ekor hat mit Lisa Weißenberger gesprochen…
Der Weg ist das Ziel
Wann fühlen wir wahre Freiheit mit dem Pferd? Für die einen ist es das harmonische Zusammenspiel im Dressurviereck, für die anderen die feine Kommunikation…
Einfach Pferd sein
Pferde, die sich mit ihren Artgenossen rund um die Uhr bewegen und sich möglichst frei am Geschehen ihrer Umwelt beteiligen, sind ausgeglichen, zufrieden…