Fühlen, leicht zu sein

1. September, 2023 | Ausgabe II/2023, Das Pferd., Das Pferd. [II/2023]

Dass Leichtigkeit viel mehr ist als „nur“ der lose Zügel beim Westernreiten machen die zwei Westernreit-Profis Monika Aeckerle und Jasmin Andersdotter im Gespräch mit ekor deutlich. Sie erzählen von dem besonderen Gefühl, wenn aus Vertrauen und dem Willen alles füreinander zu geben Leichtigkeit und feinste Kommunikation wird. Das Glück der Erde liegt eben bekanntlich auf dem Rücken der Pferde.

Autorin: Ines Vollmer

 

Heute beurteilt Monika Aeckerle meist andere Reiter-Pferd-Paare auf Turnieren. In der Vergangenheit startete sie selbst erfolgreich auf Turnieren.
Foto: privat

Monika, du bist die Präsidentin der EWU, der Ersten Westernreiter Union Deutschland e.V. Kannst du bitte kurz für alle nicht Westernreiter erläutern was die EWU ist und welche Hauptaufgaben sie verfolgt?

Monika Aeckerle: Die EWU ist der größte Westernreitverband in Deutschland und Europa, der 1978 gegründet worden ist. Ein moderner Reitsportverband, der für Pferde aller Rassen offen ist. Wir bedienen dabei sowohl den Breitensport als auch den Leistungssport. Seit 1993 ist die EWU auf Bundesebene auch Anschlussverband an die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN). Wir haben auf der einen Seite alles, was das Turnierwesen angeht – im Westernsport gestaffelt nach Leistungsklassen – sowie andererseits die Förderung der Westernreitweise und der Jugend als solche. Dabei lenken wir die Ausbildung im Westernreitsport, überwachen aber auch – und das ist für uns besonders wichtig – den Tierschutz zum Beispiel in Sachen Umgang mit den Pferden.

Sehr beliebt ist unser EWU-Jungpferdeprogramm, innerhalb diesem Jungpferde erst ab vier Jahren im Sport starten dürfen. Dafür haben wir eigens Aufgabenstellungen konzipiert, die einen schonenden Turniereinstieg für Jungpferde ermöglichen. Denn Ziel ist es und sollte es immer sein, einen gesunden, langlebigen und zuverlässigen Partner für Sport und Freizeit an seiner Seite zu haben.

Jasmin Andersdotter beim sogenannten Sliding Stop.
Foto: buy-a-picture.de/Roberto Robaldo

In den vielfältigen Disziplinen des Westernreitens bestaunen Zuschauer oft die Leichtigkeit zwischen Pferd und Reiter. Was macht für dich Leichtigkeit im Westernreitturniersport aus?

Monika: Ich bin der Meinung, dass ein fertig ausgebildetes Westernpferd definitiv immer diese Leichtigkeit ausstrahlt und mitbringt. Bis dahin ist es natürlich ein langer Weg! Ich denke, dass jede Reitweise für sich beansprucht, dass sie eine feine Hilfengebung lehrt und ausüben lässt. Ein sehr guter Reiter kann seine Reitweise immer harmonisch umsetzen. Bei der Leichtigkeit des Westernreitens spielt sicher auch unsere Auswahl der Pferde eine nicht unerhebliche Rolle. Das typische Westernpferd bringt vom Interieur her viele wichtige Basics mit. Nervenstärke macht zum Beispiel einen entscheidenden Anteil aus. Somit sind sie oft leichter händelbar als die sogenannten „blütigen“ Sportpferde. Hiermit schließt sich der Kreis, wenn diese Art von Pferd auf einen gut ausgebildeten Trainer mit Know-how trifft. Das Endprodukt ist dann eine besondere Art von Leichtigkeit, die sowohl Laien als auch Experten zum Staunen bringen.


Jasmin, du bist Westerntrainerin und nimmst erfolgreich an Turnieren teil, unter anderem auch bei den Deutschen Meisterschaften. Wie empfindest du das Image der Westernreiterei? Welches Bild herrscht bei Nicht-Insidern vor?

Jasmin Andersdotter: Wir alle sind bemüht, das Westernreiten in der Öffentlichkeit gut darzustellen. Schwarze Schafe gibt es leider überall. Sei es in der Dressur, im Springen und auch unter den Freizeitreitern. Ich sehe tatsächlich das Problem darin, dass die Gesellschaft auch über Hobbies und den Sport mehr und mehr über Social Media kommuniziert und damit natürlich auch der Trend hin zur schnellen Kritik, egal von wem, einhergeht. Andererseits bedeutet Social Media gleichzeitig eine Chance, Werbung für unseren Sport machen zu können und Einblicke in den Trainingsalltag zu ermöglichen. Sei es, wenn es darum geht Verkaufspferde zu präsentieren oder Videos der Shows und von den Turnieren, aber auch von Zuhause zeigen zu können. Es gibt Befürworter, die unsere Art und Weise des Reitens am losen Zügel bewundern. Die Kritiker sehen jedoch oft nur die scharfen Gebisse. Natürlich geht jedes Pferd durch eine Schule und Ausbildung, aber alles – egal in welcher Reitweise, bei welcher Disziplin auch immer – was mit Gewalt ausgeübt wird, ist und bleibt tierschutzrele­vant und gehört nicht in unseren Sport! Deshalb versuchen wir als Team beispielsweise auf Pferdeveranstaltungen Transparenz und wie die harmonische Arbeit gemeinsam mit dem Pferd aussehen kann zu zeigen. Dabei geht es – und das möchte ich nochmal betonen – darum, wie der Umgang und die Ausbildung sowie das tägliche Miteinander mit den Pferden aussehen soll. Hierauf lautet die Antwort: immer pro Pferd!


Monika, was macht für dich als Turnier-Richterin Leichtigkeit aus? Auf was achtest du besonders?

Monika: Hierfür gibt es ganz klar ein Schlagwort: Harmonie. Ich möchte die Harmonie zwischen Reiter und Pferd sehen und fühlen. Erfreulicherweise erleben wir das auf Turnieren mittlerweile sehr häufig, was mich persönlich sehr glücklich macht. Man sieht also ein Pferd, das an kaum sichtbaren Hilfen, mit feinster Einwirkung reagiert. Ein vertrauensvolles Verhältnis, bei dem das Pferd seinem Reiter vertraut und der Reiter weiß, dass das Pferd alles für ihn geben wird. Das Pferd sollte dabei in einer sich selbst tragenden Haltung mit aktiver Hinterhand, mit einer schönen Oberlinie – dem sogenannten positiven Spannungsbogen – zu sehen sein und mit zufriedenem Gesichtsausdruck, bestenfalls noch mit einer schönen Gangqualität. Das ist tatsächlich auch meine persönliche Faszination an der Reitweise und warum ich mich so sehr für das Westernreiten engagiere. Es ist für mich eine Herzensangelegenheit und mein Antrieb.

 

Jasmin, du hast deinen reiterlichen Ursprung im Dressurreiten und bist erst später zum Westernreitsport gekommen. Was würdest du sagen macht die beiden Welten in Bezug auf die Partnerschaft mit dem Pferd aus? Wo liegen Unterschiede?

Jasmin: Ich bin tatsächlich 15-jährig mehr durch Zufall zum Westernreiten gekommen, nämlich aufgrund eines Bandscheibenvorfalls meiner Mutter, die unsere Trakehnerstute deshalb nicht mehr reiten konnte. Sie hatte dann das Quarter Horse einer Freundin, was uns eine völlig neue Welt eröffnete, weil das Westernpferd „überraschenderweise“ auch fliegende Wechsel springen konnte und mein Bild von den „Kühen schubsenden Westernpferden“ völlig ausradierte! Mein Ehrgeiz war geweckt und ich wollte auch können, dass mein Pferd nur am losen Zügel hohe Lektionen wie Zweier-Galoppwechsel springt. Diese Art von Leichtigkeit spüren und sehen.
Heute gehört mein Herz vollkommen dem Westernreitsport. Im Westernreiten wollen wir den Pferden immer die Chance geben vom Hilfendruck zu weichen. Denn Pferde lernen in dem Moment, in dem der Druck nachlässt, quasi als Belohnung und Bestätigung etwas richtig gemacht zu haben. Die Dressurreiter arbeiten mehr mit anstehenden Zügelhilfen und stetigem Druck. Wir dagegen mit losen Zügeln in Kombination mit Schenkel und Gewichtshilfen. Unser Ziel ist es, mit sehr reduziertem und wohl dosiertem Druck viele Reaktionen beim Pferd auslösen zu können.

Monika, kannst du dich an einen prägenden „Wow-Moment“ im Westernreiten erinnern, der dir bis heute im Gedächtnis geblieben ist?

Monika: Ja, das war vor zirka 32 Jahren, als ich Mitte 20 war. Damals ritt ich noch im klassischen Stil und bekam mehr oder weniger guten Reitunterricht. Mein Wow-Effekt war ein Quarter Horse, das damals in genau der beschriebenen Leichtigkeit im Westernstil an mir vorbeigeritten wurde. Ich stand mit offenem Mund da und war einfach fasziniert. Von da an habe ich mich über das Westernreiten und vor allem über die Pferderassen informiert. Denn tatsächlich war dieser Moment auch das erste Mal, dass ich ein Quarter Horse live erlebt habe. Im Anschluss besuchte ich interessehalber ein Westernreitturnier und war beeindruckt von der Leichtigkeit, der Harmonie und der – in meinen Augen – pferdefreundlicheren Reitweise. Das war der Grundstein und mein Einstieg in das Westernreiten. Ein Jahr später habe ich mir mein erstes Quarter Horse gekauft. Später habe ich dann das Hobby zu meinem Beruf gemacht und es bis heute noch keinen Tag bereut.

Jasmin, was war bei dir der entscheidende Faktor zu 100 Prozent auf den Westernreitsport umzusatteln und das Dressurreiten hinter dir zu lassen?

Jasmin: In alten Freundschaftsbüchern schrieb ich immer, dass ich Dressurreiterin werden wollte. Bis dann der von mir beschriebene Tag X im Teenageralter kam. Danach schenkte mein Vater mir und meiner Mutter einen Westernreitkurs, damit war das Schicksaal sozusagen besiegelt. Ich saß also das erste Mal im Westernsattel und dachte: Da will ich nie wieder runter! Von meinem ersten Gehalt im Schülerjob habe ich dann für unsere Trakehnerstute einen Westernsattel gekauft und versuchte auf unserem kleinen Reitplatz hinter dem Haus dieses Pferd in Richtung Westernreiten „anzulernen“. Das hat natürlich mehr schlecht als recht geklappt, was meiner Motivation aber keinen Abbruch tat und dahin führte, dass ich in den Ferien regelmäßig auf eine Ranch nach Frankreich reiste, um dort zu arbeiten und als Bezahlung Westernreitunterricht zu bekommen. Im Azubi-Alter angelangt habe ich zunächst auf den Rat meiner Mutter gehört und nicht das Hobby zum Beruf gemacht und zwei andere Berufe ausprobiert. Resultat: Ich wollte Pferdewirtin sein und hauptberuflich reiten. Jetzt bin ich seit knapp zehn Jahren selbstständig und lebe meinen Traum, nur eben im Westernsattel statt mit Dressurfrack.

Konsequenz und Training gehören für Jasmin Andersdotter zum Weg zur Leichtigkeit dazu. Am oberster Stelle: immer pro Pferd handeln und entscheiden.
Foto: ekor

Wie fühlt sich für dich Leichtigkeit im Sattel an? Kannst du das an bestimmten Momenten mit den Pferden festmachen?

Jasmin: Leichtigkeit entsteht für mich zunächst durch Disziplin, Arbeit und Konsequenz. Für mich – und ich denke hier spreche ich hoffentlich für viele Reiter – ist es wichtig, dass die Pferde den Rücken aufwölben und das Reiten und die Ausbildung gesunderhaltend ist. Deshalb ist für mich Leichtigkeit ein gesunderhaltendes Reiten mit so wenig Druck wie möglich. Das Pferd hat verstanden: Wenn ich meinen Rücken aufwölbe, die Schultern aktiviere und meinen Widerrist hebe, fällt es mir leichter eine Einheit mit dem Reiter zu sein. Am Anfang, bis sich die Muskulatur aufgebaut hat, ist das natürlich anstrengender für die Pferde. Wenn diese dann aber aufgebaut, trainiert und tragfähig ist, entsteht Leichtigkeit im Bewegungsablauf und ich kann mit wenig (Hilfen-)Druck viel erreichen. Ich möchte das Pferd in seiner Leichtigkeit unter dem Sattel spüren und dass es sich gut mit mir fühlt. Körperlich als auch psychisch. Ein Beispiel hierfür sind bei uns die sogenannten Senior-Pferde, die ich bereits einhändig reiten kann. Hier steige ich auf und spüre Leichtigkeit. Egal mit welchem Sattel wir auf einem Pferd sitzen, sollte das in meinen Augen immer unser Ziel sein.

 

Was bedeutet es für euch ein Teil der Pferdewelt zu sein und diese durch eure Tätigkeiten aktiv mitgestalten zu können?

Monika: Es ist und bleibt für mich eine Herzensangelegenheit. Insgesamt bin ich für die EWU seit 23 Jahren im Ehrenamt tätig. Das Richten ergänzt diese Position und meine Arbeit im eigenen Stall wunderbar. In das Präsidium wächst man mit seinen Aufgaben hinein, wobei es natürlich ein aufwändiges Ehrenamt ist. In dieser Position bekommt man nicht immer nur Applaus, da man manchmal auch unpopuläre Anliegen oder auch zukunftsweisende Dinge entscheiden muss, bei denen der Masse manchmal noch nicht bewusst ist, auf was es damit hinausläuft. Es macht mir aber nach wie vor großen Spaß und ich weiß jeden Tag, wofür wir es tun: Für unseren Westernreitsport!
Wir wollen den Westernreitsport weiterhin auf einem guten Weg halten und zukunftsorientiert und pferdefreundlich weiterentwickeln. Aktuell außerdem ein großes Thema: Wir müssen hart daran arbeiten, dass das Verständnis der Menschen für den Reitsport nicht verloren geht! Es ist unser aller Herausforderung und Aufgabe unseren Sport und unser Hobby so zu gestalten, dass wir auch in 10 Jahren noch einen Sattel auf Pferderücken legen dürfen und dann ist es auch völlig egal welchen.

Jasmin:
Auch für mich ist es eine Ehre. Als Mädchen habe ich Profis bewundert, die das Westernreiten in den Fokus gerückt haben. Das waren für mich Idole, die etwas in der Reiterwelt bewirken konnten und können. Jetzt stehe ich selbst an dem Punkt, dass ich mit meiner Arbeit als Trainerin und als erfolgreiche Turnierreiterin etwas bewirken kann. Ich möchte versuchen den Menschen zu vermitteln, was ein guter Weg sein kann mit Pferden zu arbeiten und Teil davon zu sein, unseren Sport im richtigen Licht darzustellen. Auf jedem Turnier präsentiert man sich und seine Arbeit und zeigt Außenstehenden, dass sich zum Beispiel auch längere Wege mit Pferden lohnen. Es muss nicht alles auf Knopfdruck und ruck zuck einwandfrei funktionieren. Das ist nicht mein Anspruch und sollte auch allgemein bei Pferdemenschen auf Verständnis stoßen. Fehler sind erlaubt und sind immer Mittel, um zu lernen. Dabei gilt immer: Pro Pferd und ohne emotionale Überreaktionen seitens der Menschen handeln. Dann können der Reitsport und vor allem die Pferde nur gewinnen.

Monika Aeckerle war bereits seit 2012 Vize-Präsi­dentin und ist seit 2018 Präsidentin der Ersten Westernreiter Union Deutschland e.V. (EWU). Ihr Hauptaugenmerk und ihre Passion gehört der Arbeit als Turnier-Richterin im Rang AB (höchster Grad einer Richterqualifikation im Westernreitsport). Darüber hinaus hat sie den Trainerschein C. Sie lebt und arbeitet auf der Liter­mont Ranch.
Foto: FIGURE EIGHT/figure8-agentur.de
ewu-bund.com

Jasmin Andersdotter ist seit 2011 hauptberuflich Westerntrainerin und aktiv in den Verbänden NRHA, AQHA und EWU. Sie ist erfolgreiche Turnierreiterin und Ausbilderin. Unter anderem gehört sie zu dem festen Trainerstamm der E-Learning Plattform Allaround Academy.
Foto: Gina Speith
allaround-academy.de
Instagram: @Stop N Go Trainingstable