Ein mutiges Konzept für besondere Kinder

1. September, 2024 | Ausgabe II/2024, Ein Team., Ein Team. [II/2024]

„Ich kann an seinen Ohren erkennen, dass er gerade nicht gestreichelt werden möchte“, erklärt Sofi (8) stolz, tritt einen Schritt von Pony Peppy zurück und gibt ihr somit den Raum, den sie gerade benötigt. Raum geben. Das ist es auch, was Lena Henke mit ihrer Arbeit bei FamCare und FamCademy macht: Raum geben für Gefühle, Entwicklung und insgesamt Raum bieten für Kinder, deren Leben bisher auch von weniger schönen Momenten gezeichnet war. „Unser Ziel ist es, den Kindern und Jugendlichen ein Stück ungezwungener, liebevoller Kindheit zu schenken und ihnen und ihren Familien dabei zu helfen, Krisen und Probleme bestmöglich zu bewältigen“, erklärt Unternehmensgründerin und Sozialpädagogin Lena Henke, die FamCare im Jahr 2016 aufgebaut hat.

 

Advertorial

Pferde können Kindern bei der Bewältigung traumatischer Erfahrungen helfen. In ihrer Gegenwart öffnen sich die Kinder leichter.
Foto: FamCademy

„Mein Schlüsselmoment, als ich angefangen habe, war ein Mädchen, das ich damals im Reitunterricht hatte. Sie war ein Pflegekind, die zum damaligen Zeitpunkt nicht sprechen wollte“, erinnert sich Lena Henke. „Also haben wir auf „pferdisch“ beziehungsweise über das Pferd kommuniziert.“ Dann plötzlich, nach vier Monaten, der Durchbruch: Die Sozialpädagogin hört, dass die 10-Jährige ganz leise mit dem ihr anvertrauten Pferd in der Box spricht. Und langsam, ganz langsam wurde aus „Henry (Anmerkung der Redaktion: Name des Ponys) möchte gern spazieren gehen“ ein „Ich möchte gern spazieren gehen.“ Inzwischen, sagt Lena Henke, fände sie, dank ihrer langjährigen Erfahrung, innerhalb kürzester Zeit mit den Klienten am Pferd oft mehr über diese und ihre Geschichte heraus als mancher Therapeut in klassischen Therapiesettings.

Die Ausbildung in der pferdegestützten Therapie bei FamCademy dauert neun Monate und kann berufsbegleitend stattfinden.
Foto: FamCademy

Die Nachfrage wächst und wächst …

Lena Henkes Arbeit erfordert Mut, denn sie arbeitet mit Kindern, die Systeme sprengen oder besser gesagt so herausfordernd sind, dass sie in anderen Einrichtungen nicht mehr leben können. „In einem kleinen, sehr geschützten Setting auf unserem Hof erreichen wir dank der Pferde diese Kinder wieder“, berichtet die Unternehmensgründerin. Und sie geht noch einen Schritt weiter, denn wenn die Probleme des Kindes dank der Pferde identifiziert sind, soll möglichst das ganze Konstrukt Familie miteinbezogen werden. Ein systemischer Ansatz, eine ganzheitliche Betrachtung. „Es soll nicht einfach heißen: ‚Das Kind ist das Problem.‘ Die Frage ist doch: Warum zeigt sich das Kind auffällig und macht ‚Probleme‘?“, gibt Lena Henke zu bedenken.

Die mutige Macherin hat eine Vision: „Ich möchte mehr Menschen finden, die bereit sind, für die Kinder diesen Weg mit dem Pferd zu gehen“, erklärt sie. Allerdings müssen diese Kollegen entsprechend ausgebildet werden, um mit besonders herausfordernden Kindern einen Umgang zu finden. „Der Bedarf an tier- und im Speziellen pferdegestützten Intervention ist enorm“, weiß Lena Henke mit Blick auf die lange Warteliste mit rund 100 Kindern. Um mit dieser, wenn auch traurigen, Entwicklung mitzuhalten, ist die 34-Jährige wieder aktiv geworden und hat FamCademy, das Ausbildungsinstitut von FamCare Jugendhilfe & Reitpädagogik ins Leben gerufen. Was nicht nur der Ausbilderin, sondern auch den Teilnehmern der Weiterbildung zugutekommt, ist das jahrelange Wissen und der Erfolg von FamCare, dessen Schwerpunkt seit jeher die Arbeit mit dem Medium Pferd ist. Unterstützt von rund 20 Dozenten, bietet Lena Henke seit diesem Jahr eine berufsbegleitende Weiterbildung für Fachkräfte in der Reitpädagogik an, welche neun Monate dauert und perfekt integrierbar in den normalen Berufsalltag ist.

„Die Pferde haben mein Leben gerettet. Sie enttäuschen mich nicht und sie belügen mich nicht.“

„Ihr seid jetzt mein Zuhause“

Für die Kinder, mit denen ein FamCademy-Reitpädagoge dann arbeitet, stehen in der Praxis der Umgang mit dem Pferd mit all seinen Facetten im Mittelpunkt. Spielerisch und mit von FamCademy speziell entwickelten Methoden sowie kreativem Lehrmaterial – zum Beispiel den sogenannte Gefühlskarten – wird das Vertrauen der Kinder über das Medium Pferd aufgebaut und Mut gemacht, sich Situationen zu stellen, die in der Vergangenheit zum Beispiel ein Angst- oder gar Ohnmachtsgefühl ausgelöst haben. „Wie schön ist es bitte, dass wir die Kinder ein Stück auf ihrem Lebensweg begleiten dürften?“, fragt Lena Henke mit glänzenden Augen.

So berichtet sie zum Beispiel von der 12-jährigen Anna (Name geändert). Schon als Säugling wurde das Mädchen in Obhut genommen und durchlief in ihrem bisherigen kurzen Leben bereits mehrere Pflegefamilien sowie Jugendhilfeeinrichtungen. Final wollte sie niemand mehr aufnehmen, da sie mit ihrem herausfordernden Verhalten immer wieder einen Abbruch provozierte. Anna lebt inzwischen seit zwei Jahren bei FamCare auf dem Hof. Und auch, wenn der Alltag mit diesem besonderen Kind nicht immer einfach ist, scheint Lena Henke mit ihrem Konzept genau richtig zu liegen, denn vor einigen Wochen platzte es aus dem ehemaligen Sorgenkind Anna heraus: „Die Pferde haben mein Leben gerettet. Sie enttäuschen mich nicht und sie belügen mich nicht. Gäbe es die Pferde nicht, hätte ich die Einrichtung zerstört, bis ich wieder rausgeflogen wäre. Weil ich es nicht aushalten kann, dass es mir gut geht und mich jemand mag. Aber ihr und die Pferde mögt mich und seid jetzt mein Zuhause.“

Fundiert und zertifiziert

Auf dem wunderschönen Paulshof in Schwalmtal am Niederrhein leben nicht nur die Kinder und Tiere von FamCare, sondern dort erfolgt auch die FamCademy-Weiterbildung zur reitpädagogischen Fachkraft: „Hier haben wir den perfekten Lernort mit sehr guter Infrastruktur“, berichtet Lena Henke stolz. Und tatsächlich: Vom eingezäunten Reitplatz, einer überdachten Halle als sicherem und geschützten Arbeitsort bis hin zu gut ausgestatteten Seminarräumen mit Kaffeeküche und kostenlosen Parkplätzen ist alles vorhanden und vor allem sinnvoll durchdacht. Somit bietet FamCademy eine Weiterbildung, die nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch emotionales Wohlbefinden und persönliche Entwicklung fördert. „Wir freuen uns auf viele pferdebegeisterte Menschen aus der sozialen Arbeit, die bei uns ihr Wissen erweitern und vertiefen möchten“, strahlt die Initiatorin und man spürt die Begeisterung in jedem ihrer Worte.
Die Weiterbildung bei FamCademy ist doppelt zertifiziert: Sie ist sowohl anerkannt von der European Society for Animal Assisted Therapy (ESAAT) als auch vom Berufsverband für Fachkräfte Pferdegestützter Interventionen (PI) und bietet somit optimale Aussichten für Absolventen. Der nächste Ausbildungsblock startet im März 2025 und ein weiterer im April 2025.

famcademy.de