Einmal um die Welt reiten

1. September, 2024 | Ausgabe II/2024, Das Pferd., Das Pferd. [II/2024]

Alyssa Mathews hat sich selbst eine Herausforderung gestellt: Sie will alle Pferderassen der Welt reiten. Was sie auf dieser besonderen Weltreise erlebt, teilt sie in einzigartigen Filmdokumentationen, die der ekor-Redaktion Freudentränen und zugleich Fernweh bereitet haben.

 

Autorin: Kim Henneking

Foto: DiscoverTheHorse

Mit einem Knabstrupper durch den Wald galoppieren, auf dem Rücken eines Andalusiers durch die Manege schweben, mit einem Brabanter in die Wellen der Nordsee springen – welcher Pferdemensch träumt nicht davon, die große und vielfältige Welt der Pferde zu erleben? Alyssa Mathews aus Colorado hat diesen Traum wahr werden lassen und teilt ihre Reise „DiscoverTheHorse“ auf Youtube mit einer weltweiten Pferdegemeinschaft.

Mit dem Brabanter, einem belgischen Kaltblut, auch bekannt als Belgian Draught Horse, ist Alyssa in die Wellen der Nordsee gesprungen.
Foto: DiscoverTheHorse

„Jede Pferderasse ist einzigartig. Wenn du nach dem Grund dafür suchst, findest du diese großartigen Geschichten und wie jede Rasse geholfen hat, Geschichte zu schreiben.“

„Ich hatte diese Möglichkeit, einem verrückten Traum hinterherzujagen und daraus ist etwas geworden, von dem ich weiß, dass es meine Lebensaufgabe ist“, sagt sie. Zu Beginn des Projekts habe ihre Liebe zu Pferden gestanden und der große persönliche Wunsch, alle Pferderassen der Welt zu reiten – eine Leistung, die noch nie zuvor jemand erreicht hat. Doch auf dem Weg zum Rekord habe sie eine viel größere Bedeutung in ihrem Projekt entdeckt: „Ich habe die Verbindung gefunden, die Pferde zwischen uns Menschen knüpfen und welche Möglichkeiten sie uns bieten.“

Angefangen hat diese Reise schon in ihrer Kindheit, erzählt Alyssa Mathews. Sie sei im US-Bundesstaat Wisconsin auf einer großen Farm aufgewachsen und habe das Glück gehabt, schon in jungen Jahren ein eigenes Pferd bekommen zu haben. „Ich war schon immer verrückt nach Pferden. Manchen von uns liegt es einfach im Blut, obwohl unsere Familie nichts mit Pferden zu tun hat.“ Zwar hätten ihre Eltern keine Verbindung zu Pferden gehabt, doch in der Nachbarschaft habe es eine große Reitergemeinschaft gegeben, die ihr dabei geholfen habe, den jungen Pegasus auszubilden.

Angetrieben durch ihre Leidenschaft, möglichst viel über Pferde zu lernen, habe sie bereits im Alter von 16 Jahren mehr als 20 verschiedene Pferderassen kennengelernt und geritten, darunter Quarter Horses, Missouri Foxtrotters und Fjordpferde. Dabei habe sie auch verschiedene Reitweisen – von Western- bis Distanzreiten – als auch das Kutschefahren kennengelernt. Wann immer jemand eine Reitbeteiligung gesucht oder eine neue
Perspektive ­geboten habe, sei sie am Start gewesen. „Bestimmte Dinge passieren einfach in der Pferdewelt“, sagt sie. „Sei offen und nimm alle Möglichkeiten wahr. Eine kleine Entscheidung kann dein Leben in eine ganz andere Richtung lenken.“

Durch ihre Arbeit als selbstständige Pferdemaklerin sei sie später mit Reitern und Züchtern in den ganzen USA in Kontakt gekommen und sich sicher gewesen: „Das ist die Welt, in der ich leben will.“ Schon damals habe sie den Wunsch entwickelt, alle Pferderassen der Welt zu reiten. „Jede Pferderasse ist einzigartig. Wenn du nach dem Grund dafür suchst, findest du diese großartigen Geschichten und wie jede Rasse geholfen hat, Geschichte zu schreiben.“

Doch wie sollte sich so eine verrückte Idee finanzieren? Die Antwort darauf lieferte die Weltgemeinschaft der Pferdefreunde, genauer gesagt, die Islandreiter. Gemeinsam mit ihrem Mann machte Alyssa Urlaub auf Island und stellte danach zwei Kurzfilme auf Facebook online, die in kürzester Zeit einige hunderttausend Aufrufe erhielten. „Die Community war so aufgeregt und engagiert“, erinnert sie sich. Und obwohl das Projekt in seiner Gänze überwältigend gewirkt habe, hätte sie in diesem Moment einen Weg gesehen, es umzusetzen.

Das Rottaler Pferd ist ein seltenes Warmblut aus Bayern.
Foto: DiscoverTheHorse

„Pferde geben uns die Möglichkeit, zuzuhören und zu lernen, über sie und über uns.“

Von vereinzelten Filmarbeiten in der Freizeit und im Urlaub ist mittlerweile ein Vollzeitjob als Youtuberin und Filmemacherin geworden. „Die Herausforderung ist, zu definieren, was genau eine offizielle Rasse ist.“ Denn nicht alle Vorschläge aus ihrer Community ließen sich einem Zuchtbuch zuordnen. Einige Länder hätten keine offizielle Dokumentation oder Richtlinien. So erwartet Alyssa, etwas weniger als 300 Pferderassen im Laufe ihres Projekts zu dokumentieren.

Eine davon ist das Tokara-Pony aus Japan. Bei einem Besuch auf einer entlegenen Insel habe sie beim Einreiten eines Jungpferdes helfen dürfen. Dessen Besitzer habe nur wenige Worte Englisch gesprochen, sodass sie sich größtenteils über Google Translate und mit Händen und Füßen habe unterhalten müssen. „Wir haben uns in der Erfahrung verloren, das Pferd zu unterrichten“, sagt Alyssa Mathews. „Das war das einzigartige Erlebnis, das ich jemals hatte. Ich konnte nicht mit ihm sprechen, aber wir hatten dieses wahrhaft authentische Erlebnis, das vollkommen durch den Versuch geprägt war, dieses kleine Pony dem Reiten ein bisschen näher zu bringen.“
Ein weiteres Erlebnis war der Wanderritt durch die beeindruckende Natur auf Island. „Ich habe so viele großartige Erinnerungen. Aber das war eine einzigartige“, sagt sie. Sechs Tage lang sei sie in einer Herde von 80 Ponys unterwegs gewesen und habe mehrmals am Tag das Reittier gewechselt. „Diese Pferde fliegen über den Boden. Du siehst dich um und siehst all diese verschiedenen Farben von Pferden. Und dann erkennst du ein Pferd, das du schon einmal geritten bist und sagst: Hey, dich kenne ich!“

Michael Muir (rechts) hat die US-amerikanische Rasse Stonewall Sporthorse ins Leben gerufen. Mit Access Adventure bietet der von MS Betroffene Pferdeerfahrungen für Menschen mit Behinderung an.
Foto: DiscoverTheHorse

„Sei offen und nimm alle Möglichkeiten wahr. Eine kleine Entscheidung kann dein Leben in eine ganz andere Richtung lenken.“

Weil Menschen Pferde nicht mehr für den ursprünglichen Grund ihrer Zucht nutzten, hätten wir die einzigartige Möglichkeit, uns auf eine neue und andere Weise mit ihnen zu verbinden. „Pferde geben uns die Möglichkeit, zuzuhören und zu lernen, über sie und über uns. Jedes einzelne Pferd ist anders und sie sind bereit, eine Beziehung mit uns zu führen, auf so eine ehrliche Art und Weise.“

Wie viele Jahre Alyssas „Quest“ noch dauert, ist derzeit noch ungewiss. Eins steht aber schon fest: Irgendwann will sie sich wieder ein eigenes Pferd kaufen und dann wird die Entscheidung schwerfallen. „Ich verliebe mich in jedes Pferd“, sagt Alyssa Mathews. „Sie sind alle so besonders. Ich kann keinen Liebling wählen.“