Ein Kampf um Sekunden
Teamgeist, Leidenschaft und Schnelligkeit. Kämpfen bis zum Schluss. Volles Risiko, um vielleicht doch noch zu gewinnen.
Das sind Mounted Games. Wir sprachen mit der 19-jährigen Esther Raasch, die 2021 bereits im WM-Nationalteam der unter 18-Jährigen geritten ist, über ihre Faszination für diesen Sport.
Autorin: Ines Vollmer
Schnelligkeit, Wendigkeit und volle Konzentration sind bei den Mounted Games das A und O.
Foto: privat
Wenn man mit Esther Raasch spricht, sprudelt einem pure Leidenschaft entgegen. Leidenschaft für ihr Pony „Zaubermaus“ und für ihren gemeinsamen Sport, die Mounted Games. Die Studentin lebt und trainiert nach dem Motto der Spiele: „More than just a sport.“ „Mein Pferd ist meine große Leidenschaft. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ohne meinen Liebling wäre. Sie ist mein Superstar. Mounted Games ist für mich Familie. Es lässt mein Herz höherschlagen, wenn es wieder auf ein Turnier geht.“
Willkommen in der Arena: Drei, zwei, eins… GO!
Mounted Games ist viel mehr als nur das Slalomreiten, was vielleicht manch einer bei dieser Disziplin vor Augen hat. In der Arena sind meistens sechs bis acht Bahnen mit den gleichen Spielgeräten nebeneinander aufgebaut. Man unterscheidet zwischen den verschiedenen Klassen (U12, U17 und offene Klasse), einer Teilnahme als Mannschaft (vier bis fünf Reiter), Paar (zwei Reiter) oder Einzelreitern. Nach dem Startsignal samt Flagge müssen die Reiter gegeneinander gleichzeitig auf den verschiedenen Bahnen reiten. Hier zählt, dass Mensch und Pferd als Team so schnell wie möglich korrekt die verschiedenen Aufgaben absolvieren. Der Reiter, der als erstes die Ziellinie überquert, erhält die höchste Punktzahl. Dabei gibt es meistens zwei Qualifikationsläufe mit jeweils ungefähr acht Spielen. Hiernach entscheidet sich, wer die meisten Punkte hat und ins A-Finale beziehungsweise B-Finale kommt, so dass hieraus schließlich die besten Reiter gegeneinander im Schluss-Finale gegeneinander reiten können.
Ohne hundertprozentiges Vertrauen zwischen Pferd und Reiter ist dieser Sport nicht ausübbar. Ihre Ponystute Zaubermaus ist der ganze Stolz von Esther.
Foto: privat
Interessant: Im Finale werden die Punkte bei allen Teilnehmenden wieder auf null gesetzt, so dass jeder nach wie vor die Möglichkeit hat das Turnier für sich zu entscheiden. Dabei schreibt das Regelwerk vor, dass jede Mannschaft jede Qualifikation reitet und nicht nur bereits nach der ersten Runde die besten Reiter gegeneinander starten. Jeder startet also in den Qualifikationsläufen und jeder reitet sein Finale. Tatsächlich erwarten die Reiter-Pferd-Paare insgesamt über 35 verschiedene Spiele mit unterschiedlichsten Anforderungen in den Mounted Games. Bei einem Turnier können mindestens vier Durchläufe mal acht Spiele, also insgesamt 32 Spiele vorkommen.
Teamgeist siegt.
„Dabei gilt, ein Fehler bedeutet nicht, dass man nicht mehr gewinnen kann. Durch das Team und die Chance,
dass der Teampartner nochmal Zeit wettmacht, kann man trotzdem noch die meisten Punkte abstauben“, schildert die Reiterin die Jagd nach Sekunden. „Mounted Games ist gelebter Teamgeist. Man unterstützt sich, man versucht sich aufzumuntern und zu motivieren. Wir gehen nach einem Turnier gemeinsam essen und besprechen im kleinen Kreis die Spiele vom Tag. Manchmal gibt es auch vom Turnier organisierte Abendveranstaltungen, die dem Teamspirit nochmal extra guttun und für entspannte Stimmung sorgen. Das Team ist wie eine kleine Familie. Jeder ist für jeden da, auch wenn man zum Beispiel die Mannschaft gewechselt hat, steht man trotzdem weiterhin mit den Teamkameraden in Kontakt.“ Auch vor Ort auf dem Turnier leben die Reiter nach der Devise „miteinander statt gegeneinander“. „Fehlt jemandem beispielsweise etwas auf dem Turnier, hat mindestens einer den Ausrüstungsgegenstand doppelt und kann aushelfen.“
Die Reiter der Mounted Games in Deutschland verpflichten sich meistens mindestens für eine Saison in einem Team und reiten für einen Verein, wobei ein Verein teilweise auch zwei bis drei Teams hat, innerhalb derer ohne Probleme gewechselt werden kann. Esther selbst ist zu Beginn gute sieben Jahre in ihrem heimatnahen Verein geritten und machte dann unter anderem Station in Hannover. 2022 konnte sie erstmals in der sogenannten offenen Klasse, bei den Erwachsenen (über 18 Jahre) starten. Für 2023 hat sie ihren Fokus auf internationale Turnierteilnahmen gelegt und ist derzeit noch auf der Suche nach Sponsoren. Unter anderem möchte sie in Belgien, der Schweiz als auch in Frankreich an den Start gehen.
Der Reiter ist nichts ohne seinen Partner Pferd
„Prinzipiell ist es ein Ponysport. International darf man nur Pferde bis zu einem Stockmaß von 1,52 Metern reiten, national darf man aber durchaus auf größeren Pferden starten. Eine prädestinierte Rasse in dem Sinne gibt es nicht. Es hängt viel vom Reiter selbst ab. Mag man beispielweise das Pferd etwas kompakter und kleiner, um schnelle enge Kurven reiten zu können? Oder kommt man besser mit einem längeren Körperbau klar und setzt auf Schnelligkeit auf den Geraden? Tendenziell sollte ein Pferd für diese Disziplin ,Go‘ mitbringen. Sporen und Gerten sind bei den Mounted Games verboten, so dass der Partner Pferd gerne eigenständig laufen sollte,“ weiß die Reiterin zu berichten.
Zusätzlich setzt das Regelwerk auf Fairness gegenüber dem Partner Pferd. So wird darauf geachtet, dass die Reiter den Pferden nicht übertrieben im Maul ziehen oder extrem treiben. Hierfür behalten sich die Richter Verwarnungen vor oder sprechen sogar gelbe oder rote Karten (Ausschluss vom Turnier) aus. „Je nach Schärfegrad und Häufigkeit kann hierbei auf jeden Fall interveniert werden. Umso wichtiger ist, dass das Pferd ebenfalls Spaß an den Spielen und kein Problem mit dem Gasgeben hat“, betont Esther Raasch.
„Unsere Pferde machen auf jeden Fall Klarheit und Nervenstärke aus. Es gibt beispielsweise ein Spiel, bei dem man einen Luftballon mit einer Lanze zerstechen muss, Lärmempfindlichkeit sollte also auch kein Thema sein. Es ist interessant zu beobachten, dass viele
Pferde nach ein bis zwei Jahren im Sport direkt wissen, was gefordert wird, und das Spiel aktiv mitspielen können. Tendenziell kann jedes Pferd-Reiter-Paar mitmachen und sich ausprobieren. Die Randbedingungen sollten natürlich bekannt und vom Reiter für sich und sein Pferd als unproblematisch eingestuft werden.“
Nicht nur die Vierbeiner müssen für diese Disziplin trainiert sein. Auch die Reiter arbeiten hart für ihre Fitness, damit die Abläufe funktionieren.
Foto: Justine Braud
Esther selbst hat ihre 1,43 Meter große Ponystute Zaubermaus, ein Mix aus Araber und Lewitzer, knapp sechsjährig gekauft und sie selbst zunächst ein gutes Jahr dressurlich grundausgebildet. „Mir war wichtig, dass ich mit ihr zusammenwachsen und wir von vornherein auf dieselbe Art und Weise kommunizieren. So konnte ich mich auf sie und sie sich auf mich einstellen und wir wissen, wie der andere tickt und können uns zu 100 Prozent aufeinander verlassen.
“Grundsätzlich gelten aber neben der Festigkeit der Pferde auch gewisse Anforderungen an den Reiter. „Das A und O ist auf jeden Fall der Spaß an der Sache, Sattelfestigkeit, eine gute Koordination, aber auch die dressurliche Ausbildung des Reiters sollte für die Spiele ebenso vorhanden sein. Darüber hinaus ist es tatsächlich ein Sport, der dem Menschen ebenso Fitness und Athletik abverlangt wie dem Tier“, weiß Esther aus eigener Erfahrung zu berichten. „Bei manchen Spielen muss man vom Pferd abspringen, etwas vom Boden aufheben und wieder aufspringen, was schnelle Abläufe erfordert.“ Sie selbst trainiert nicht nur mehrmals wöchentlich gemeinsam mit ihrem Pony, sondern zusätzlich auch ihre eigene Kondition mit Sprint- und Krafttrainings im Sand der Reithalle. Auch bei der Sichtung für den WM-Kader der Mounted Games spielte das Fitnesslevel der Reiter eine erhebliche Rolle.
„Mir ist ein abwechslungsreiches Training für und mit meinem Pferd wichtig. So setzen wir unsere Woche aus Dressurtraining, Arbeit vom Boden, Geländeausritten, Reiten ohne Sattel und ein- bis zweimal die Woche Mounted Games zusammen.“ Bei den Spielen auf einem Turnier kommt es durchaus vor, dass Esther bei 40 Stundenkilometern im vollen Galopp auf das Pferd springt. „Es ist auf jeden Fall machbar. Man muss hart genug trainieren, um weiterzukommen, sich fokussieren und Nervenstärke beweisen. Es ist natürlich manchmal anstrengend und auch ich muss an manchen Tagen meinen inneren Schweinehund überwinden, aber wenn es am Ende auf dem Turnier funktioniert und ich merke, dass es deutlich besser geworden ist, ist es auf jeden Fall die Mühe wert“, sagt die Nachwuchssportlerin.
Alle ziehen an einem Strang
Als Esther gefragt wird, wie sie und ihr Pony nach Belgien, Frankreich und in die Schweiz kommen, wird klar:
Hier ziehen nicht nur alle sprichwörtlich an einem Strang, sondern auch den Pferdeanhänger. Esthers Eltern gehören zu ihren größten Unterstützern. „Ohne Rückhalt der Familie wäre das alles nicht möglich.
Meine Mutter ist fast immer bei den Turnieren dabei und wenn sie es nicht schafft, springt auch mal mein Vater trotz Pferdehaarallergie ein“, erzählt Esther lachend. So unterstützt die Familie die Reiterin immer und bestärkt sie, „doch am Ende des Tages kommt es darauf an, dass ich die nötige Nervenstärke beweise und den Ehrgeiz mitbringe“, ist sich die 19-Jährige bewusst. Ihr Idol ist unter anderem die Engländerin Sadie Lock, die als eine der wenigen Frauen an der Spitze der internationalen offenen Klasse ganz oben mitspielt, obwohl sie sich gegen Männer in den Spielen durchsetzen muss. Auch Esthers Traum ist es sprichwörtlich nach den Sternen zu greifen und sich auch international einen Namen zu machen – drei, zwei, eins… GO!
Das Vier-Flaggenrennen ist für Esther eines der Spiele, das viele Anforderungen der Mounted Games vereint: Geschicklichkeit, Schnelligkeit, Koordination und volle Konzentration von dem Pferd-Reiter-Team.
Foto: privat
„Ohne hundertprozentiges Vertrauen in sein Pferd kann man diesen Sport nicht ausüben.“
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