„Es braucht mehr Begeisterung für unseren Sport!“

1. März, 2023 | Ausgabe I/2023, Ein Team., Ein Team. [I/2023]

Die Bühne des Para-Reitsports wächst. Erst vor kurzem nahm die FEI – der Dachverband, dem auch die Para-Reiter unterstellt sind – eine wichtige Änderung vor: Die Prüfungen, die die Reiter mit Behinderung auf internationalem Niveau reiten, heißen nun auch „Grand Prix“. Aber ist der Para-Reitsport damit in der Mitte der Reiterwelt angekommen? Mara Meyer, selbst erfolgreiche Sportlerin, sagt, die Umbenennung sei „ein großer Schritt“ – und zwar in Richtung Inklusion.

 

Autorin: Kristina Sehr

Mara Meyer ist Pferdesportlerin durch und durch.
Foto: Tamara Paar

Vier Jahre alt war Mara Meyer, die selbst im Rheinland beheimatet ist, als sie dank einer Hippotherapie zum ersten Mal auf dem Pferderücken saß. Es folgten weitere Reitstunden, eine Reitbeteiligung und schließlich das eigene Pony „Little Dream“. Ihre ersten Turniererfahrungen machte die junge Reiterin im sogenannten Regelsport, also auf klassischen ländlichen Reitturnieren, und zwar in Konkurrenz zu anderen Reitern ohne Handicap. Dabei gab es allerdings immer wieder Probleme. Meyer lebt, aufgrund von Komplikationen während ihrer Geburt, mit einer Zerebralparese, also mit einer Schädigung des Nervensystems. Ihren Alltag bestreitet sie im Rollstuhl. Darum darf sie auch besondere Hilfsmittel und Equipment auf Turnieren nutzen, die ihr helfen, ihr Handicap auszugleichen. Aber beispielsweise auf ihren Fellsattel wurde sie immer wieder angesprochen. „Viele Richter wussten einfach nicht, wie sie mit mir umgehen sollten. Entweder disqualifizierten sie mich. Oder sie schenkten mir quasi gute Noten oder einen Sonder-Ehrenpreis, weil sie nicht wussten, wie sie mich bewerten sollten“, erinnert sie sich.

Im Para-Reitsport fand sie die Wettkampfmöglichkeit, die sie gesucht hatte. „Denn das ist ein Sport, in dem ich mich mit anderen vergleichen kann. Im Schulsport konnte ich das nie“, erklärt sie. „Dort war es wie in diesem Comic, in dem einem Fisch und einem Affen gesagt wird, sie sollen auf einen Baum klettern. Im Wettbewerb habe ich andere Voraussetzungen als viele andere Menschen. Aber auf dem Pferd kann ich eine Sportlerin sein.“

Seit 2015 ist Meyer auch im Para-Sport aktiv. Hierfür werden Reiterinnen und Reiter medizinisch untersucht und in sogenannte „Grades“ eingeteilt, also Wettkampfklassen, in denen Menschen mit vergleichbaren körperlichen Einschränkungen gegeneinander antreten. Zu Beginn ritt Mara Meyer noch in Grade III, dann in Grade II. Heute startet sie in Grade I, wo ausschließlich Schritt geritten wird. Insgesamt gibt es fünf Grades, wobei in Grade I die Reiterinnen und Reiter starten, die am schwersten beeinträchtigt sind. In Grade V starten Reiterinnen und Reiter mit geringeren Einschränkungen. Die Feststellung, wer in welchem Grade starten darf, geschieht mithilfe eines ausgeklügelten medizinischen Tests. Der Test überprüft Kraft, Motorik, Koordination, Balance und noch vieles mehr. Durchgeführt wird er von extra ausgebildeten und unparteiischen Fachkräften.

Ebenso wie im Regelsport sind Para-Reiter mit viel Ehrgeiz und Motivation auf der Jagd nach Schleifen und Medaillen. Doch auch die Jagd auf Sponsoren spielt eine Rolle: „Um in diesem Sport dauerhaft zu bestehen, ist es wichtig, Erfolge zu sammeln. Wir Para-Reiter standen lange nicht so im Fokus wie Regelsportler. Umso wichtiger ist es für uns, Erfolge nachzuweisen und uns ins Blickfeld der potenziellen Sponsoren zu reiten. Denn nur durch Sponsorings können wir unseren Sport auf hohem Niveau finanzieren.“

Um diesen Druck zu verstehen, lohnt sich ein Blick aus der Vogelperspektive. Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da? Die Konkurrenz aus den USA, Großbritannien oder europäischen Nachbarländern schläft nicht. Auch dort stecke hinter dem Para-Reitsport ein ausgeklügeltes System, sagt Mara Meyer: „Es gibt tolle Turniere für die Sportler, gutes Training, die Kader sind gut organisiert. In den USA ist der Sport sogar in Wellington, auf einem der renommiertesten Turniere überhaupt, vertreten.“

Mara Meyer meistert auch vom Rollstuhl aus den Pferdealltag und hat bereits namhafte Erfolge in der Para-Dressur gefeiert. Sie wünscht sich mehr Begeisterung für den Para-Reitsport.
Foto: Tamara Paar

Aber auch in Deutschland tut sich einiges. Die Para-Reiter bestreiten beispielsweise beim bekannten Mannheimer Maimarkt Turnier auf ganz großer Bühne internationale Wettkämpfe. „Es ist nicht nur ein Wahnsinns-Gefühl, in das gigantische Stadion einzureiten, sondern es ermöglicht uns und unseren Pferden auch, wertvolle Erfahrungen zu sammeln“, berichtet die Sportlerin. Die Deutschen Meisterschaften der Para-Dressurreiter finden während des bekanntesten Turniers in Bayern – „Pferd International“ nahe München – statt. Mara Meyer freut sich über diese Entwicklungen. Sie sagt: „Mit der Inklusion von Para-Prüfungen auf renommierten Reitturnieren gestaltet es sich für die Sportler mit Handicap immer leichter, in den Fokus der Öffentlichkeit – und damit auch ins Blickfeld potenzieller Sponsoren – zu geraten.“

Wer noch nicht an den großen Reitturnieren in Europa teilnehmen kann oder möchte, zum Beispiel im Nachwuchs-Bereich, kann sich mittlerweile auch auf nationalem Niveau in Para-Prüfungen messen. „Hier in Nordrhein-Westfalen gibt es schon ein paar Turnierveranstalter, die es uns ermöglichen, lokal Turnierluft zu schnuppern“, berichtet die Rheinländerin. „Es tut sich deutschlandweit einiges.“ Wichtige Schlüsselfiguren dafür seien vor allem Rolf Grebe, zuständig für den Nachwuchs in der Para-Dressur, und Detlev Müller, Koordinator des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten (DKThR). „Beide setzen sich ganz besonders für unseren Sport ein und haben uns schon auf viele tolle Turniere gebracht“, sagt Mara Meyer. Auch ein Paralympisches Trainingszentrum für die Para-Dressur gibt es im rheinländischen Frechen.

Aber was genau wünscht sich eine junge Reiterin wie Mara Meyer von ihrem Sport und den Menschen, die ihn gestalten? Letztlich könne man viel über Sponsorings, Training und Turniere sprechen – doch der Dreh- und Angelpunkt sei die Wertschätzung des Para-Sports selbst, meint sie. „Es braucht noch mehr Begeisterung für unseren Sport. Da geht es nicht um Werbung für das Para-Reiten. Sondern um echte Würdigung und aufrichtiges Interesse. Und das muss aus der Mitte der Gesellschaft herauskommen.“ Die Repräsentation in den Medien habe sich schon deutlich verbessert, Social Media sei ein wichtiger Motor. Und auch die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz für die Para-Sportler sei gewachsen. „Da müssen wir weiter dranbleiben, denn ich wünsche mir noch mehr echte Anerkennung für den Sport. Kein müdes Lächeln, kein Schulterklopfen. Wir reiten auf Grand-Prix-Niveau! Angepasst an unsere körperlichen Möglichkeiten, aber trotzdem Königsklasse.“

Mara Meyer ist Sportlerin durch und durch. Und sie wünscht sich, dass die gesamte Reiterwelt diese Leistung anerkennt. Sie sagt: „Der Para-Reitsport ist genau so bunt und vielfältig wie der Regelsport auch. Ob im Para-Springen, in der Para-Dressur oder beim Para-Fahren. Was uns alle eint, ist die Liebe zum Pferd und die Leidenschaft für den Sport. Genau wie im Regelsport auch. Und das sollte zelebriert werden.“