Auf dieser Koppel beginnt ein neues Leben

1. September, 2024 | Ausgabe II/2024, Ein Team., Ein Team. [II/2024]

Die Pferdeklappe in Norderbrarup ist für viele die letzte Hoffnung. Die Geschichte der Gründerin Petra Teegen und ihrer Lebens­aufgabe hat ekor sehr bewegt. Ihrem Mut ist es zu verdanken, dass Pferde und Menschen in Not eine zweite Chance bekommen.

 

Autorin: Kim Henneking

Petra Teegen hat die Pferdeklappe gegründet.
Foto: Michaela Kuhlmann

Seit elf Jahren gibt es einen Ort, an dem Menschen und Pferde einen Neustart beginnen dürfen. Auf einer abgelegenen Koppel in Norddeutschland können sie voneinander Abschied nehmen und nach einer schweren gemeinsamen Zeit getrennt ihr Glück versuchen. 2000 Pferde haben dank der ersten Pferdeklappe Deutschlands bereits ein zweites Leben geschenkt bekommen.

Dass es diese Möglichkeit gibt, ist Petra Teegen und ihrem Team zu verdanken. Die 70-Jährige war alleinerziehende Mutter und hat früher als Krankenschwester gearbeitet. Schon vor Vereinsgründung hat sie Pferde in Not aufgenommen, mit ihren eigenen finanziellen Mitteln aufgepäppelt und neu vermittelt. Für ihr beispielloses Engagement ist die Gründerin und Vereinsvorsitzende der Pferdeklappe 2021 mit dem Bundesverdienstorden ausgezeichnet worden.

Obwohl sie es selbst nicht immer leicht gehabt hat, hat sie bis heute nicht ihre positive Art verloren. „Ich hatte wirklich ganz schlechte Zeiten in meinem Leben. Viele Leute saugen sich daran fest, wenn sie so etwas erleben. Ich schüttele es ab. Es liegt hinter mir. Wie soll ich das ändern? Ich ändere alles, was vor mir ist“, sagt Petra Teegen.
Nach jahrzehntelangem Engagement im Tierschutz weiß sie: „Die Not der Pferde hängt unmittelbar mit der Not der Menschen zusammen.“ Hinter jedem Pferd in der Pferdeklappe stehe ein Mensch, der durch Scheidung oder Arbeitslosigkeit in finanzielle Not geraten ist, sich krankheitsbedingt nicht mehr kümmern kann oder gestorben ist. Der Schritt, sein geliebtes Pferd in fremde Hände zu geben, fordert eine große Portion Mut und Vertrauen. „Wenn keiner mehr weiterhilft, dann helfen wir“, sagt Petra Teegen.

Beim Verein Pferdeklappe können Pferde sowohl persönlich von ihren Besitzern abgegeben werden wie auch anonym auf einer abgelegenen Koppel – der namens­gebenden „Pferdeklappe“, in Anlehnung an die Babyklappe. Dort stehen immer zwei Pferde als Empfangskomitee bereit und begrüßen die Neuankömmlinge. Einige sehr schwere Fälle werden durch die Behörden beschlagnahmt und zur Pferdeklappe gebracht.
„Wir greifen niemanden an, wenn der uns ein verhungertes Pferd bringt. Niemanden. Niemals würde ich über die Leute richten, so wie das in den Medien üblich ist. Manchmal muss ich wirklich einen großen Satz runterschlucken. Aber auch dann sage ich: Vielen Dank für Ihr Vertrauen. Wir sind froh, wenn man den Tieren dann endlich helfen kann“, sagt die Tierschützerin.

Der Grundstein der Pferdeklappe ist eine kleine Koppel, auf der sich Menschen ungestört von ihren Pferden verabschieden können.
Foto: Michaela Kuhlmann

Petra Teegen weiß, der Weg eines Pferdes in die Pferdeklappe ist meist lang. „Wir müssen davon ausgehen, dass niemand sein Pferd absichtlich quält. Ich würde sagen, 99 Prozent der Pferdeleute lieben ihre Pferde und wollen gerne dafür sorgen.“ Oft beginne die Abwärtsspirale mit finanzieller Not der Besitzer. Zunächst werde preiswerteres Futter gekauft, dann Wurmkuren und Impfungen vernachlässigt, später auch Zahnarzt- und Hufpflegetermine. Wenn die Menschen keinen Weg mehr aus der Situation sehen und ihr Pferd nicht anderweitig unterbringen können, lande es schließlich krank und abgemagert in der Pferdeklappe.

Etwa 20 Prozent der Schützlinge kämen verwahrlost und krank an. Aber auch gesunde Freizeitpferde und leistungsstarke Sportpferde seien darunter. Anhand des Gesundheitszustandes der Tiere könne sie aus Erfahrung gut erkennen, welches Leben sie gelebt haben, auch wenn sie anonym abgegeben werden, erzählt Petra Teegen. Pferde von Freizeitreitern hätten eher Gewichtsprobleme – sowohl zu dick wie zu dünn –, seien seltener geimpft oder entwurmt und hätten vergleichsweise schlechte Hufe. Pferde von Sportreitern hätten tendenziell Magengeschwüre, Rückenprobleme, Fesselträgerschäden, Druckstellen an Wiederrist und Beinen, seien nervös und ließen sich schlechter verladen. Das treffe natürlich nicht auf alle Pferde dieser Gruppen zu, doch ließe sich ein Muster erkennen.

„Die Not der Pferde hängt unmittelbar mit der Not der Menschen zusammen.“

Ende 2023 musste die anonyme Abgabe vorübergehend geschlossen werden, weil zu viele sterbende Pferde abgegeben wurden. Die lange Anreise wollte Petra Teegen den Pferden ersparen und bat die Besitzer darum, sich den Mut zu nehmen, die Pferde selbst einschläfern zu lassen. Doch auch für solche Fälle bringt die Tierschützerin Verständnis auf. Denn sie weiß, dass die Fahrt für die Besitzer teils günstiger ist als das Einschläfern beim Tierarzt.
„Und man darf nicht vergessen, die Hoffnung reist mit“, gibt sie zu bedenken. Denn viele vermeintlich unheilbare Fälle hätten durch den Klappentierarzt bereits eine zweite Chance erhalten. Und auch die „letzte Koppel“ für austherapierte Pferde habe schon Wunder gewirkt. Auf dieser Koppel sollen Pferde eine letzte schöne Zeit haben, bevor sie eingeschläfert werden. „Jedes Jahr gelingt es der Natur, von diesen sterbenden Pferden zwei oder drei zu heilen.“

Wann die Zeit zum Einschläfern gekommen ist, entscheide immer das Team gemeinsam „Wir unterstützen kein zusätzliches Leiden. Wenn es keine Hoffnung mehr gibt, dann gibt es immer noch die Hoffnung auf Ruhe und Frieden.“ Damit die gestorbenen Pferde nicht in Vergessenheit geraten, hält Petra Teegen ihre Geschichten in Büchern fest. Die Einnahmen kommen nicht ihr, sondern den Neuankömmlingen in der Klappe zugute. „Ich bin sehr minimalistisch. Im Grunde genommen braucht man zum Leben ja nur gesunde Atemluft, leckeres Essen und Liebe für irgendwas, das man verfolgen kann.“

Nicht zuletzt gebe es für alle negativen Erlebnisse auch immer wieder positive, die helfen, schlechte Zeiten zu überstehen. „Die Tiere kommen, sie werden gesund, sie werden vermittelt und dann stehen wir hinter dem Anhänger und winken und freuen uns.“

Spendenkonto Pferdeklappe e.V.
Nord-Ostsee-Sparkasse
IBAN: DE59217500000164407272
BIC: NOLADE21NOS
Paypal: info@erste-pferdeklappe.de

Informationen zu Sachspenden, Patenschaften und Ehrenamt unter erste-pferdeklappe.de.