Alles eine Frage guter Zucht

1. September, 2021 | Ausgabe II/2021, Das Pferd., Das Pferd. [II/2021]

Heute sind weltweit über 540 Pferderassen bekannt. Sie sind durch kluge Kreuzungen der einzelnen Pferdetypen entstanden, haben sich gegenseitig veredelt und weiterentwickelt. Die Pferdezucht reifte mit dem jeweiligen Nutzen aus, den der Mensch schon vor tausenden Jahren im Pferd erkannte. Bevor die Menschen tatsächlich sesshaft wurden, reisten sie umher, stießen so immer wieder auf neue Pferderassen, mit Merkmalen, die in Kombination mit ihren eigenen Pferden eine bessere Nutzung des Tieres ermöglichten. Die Kreuzung in den Anfängen der Pferdezucht entsprach längst keinen übergeordneten systematischen Zuchtzielen, folgte keinem Zuchtbuch und wurde schon gar nicht von verschiedenen Zuchtverbänden organisiert. Sie unterlag den Kriterien: Gefallen und Kreuzungsmöglichkeit. Das Ergebnis war eher Zufall. Die heutige Pferdezucht dagegen folgt einem strengen Reglement. Weibliche und männliche Vererber werden streng selektiert, dem rassetypischen Zuchtziel entsprechend bewertet und schließlich miteinander gekreuzt, um das bestmögliche Ergebnis zu zeugen. Der Mensch hat in diesem Prozess eine maßgebliche Rolle, denn seine Arbeit mit dem Pferd hat ihm die Zuchtziele diktiert. Immer mehr mussten die Tiere einem menschlichen Ideal entsprechen. Ein historisches Überbleibsel, das bis heute Bestand hat.
Das Thema Zucht ist groß, teilweise heiß umstritten und so vielfältig wie die einzelnen Pferderassen selbst. Deshalb haben wir uns für diesen Artikel einige spezielle Fragen gestellt: Was bewegt einen privaten Pferdehalter zur Zucht? Wie funktioniert der Einstieg in das Züchterleben? Welche Zuchttrends zeigen die deutschlandweit beliebtesten Pferderassen aktuell auf? Und wieso brauchen wir eigentlich Embryo Transfer und Genomische Selektion?

Vavavoom, ein Vidar-Sohn, ist der ganze Stolz von Jungzüchter Patrick Thomalla. Im Interview verrät er uns, wie der Einstieg in die Pferdezucht klappen kann.
Foto: Patrick Thomalla

Züchter aus Leidenschaft

Endlich ein Fohlen von der Lieblingsstute – diesen Traum haben viele Pferdehalter. Auch Patrick Thomalla. Uns nimmt er mit in die Welt der Jungzüchter. Autorin: Gabriela Grau

Foto: Pics4Emotion

Wieso Patrick Thomalla züchtet?

Diese Frage kann er uns im Gespräch schnell beantworten: aus Leidenschaft. Schon mit 14 Jahren entwickelte sich in seinem Kopf die Idee, von seiner Stute Nachkommen zu erhalten. „Es kam damals natürlich erstmal anders“, erinnert sich Patrick Thomalla. „Ich durfte mir von meinem Jugendweihe-Geld mein erstes Pferd kaufen. Eigentlich sollte das die Stute werden, die meine Zucht begründet. Es wurde mein Wallach Salomon.“ Zehn Jahre später traf Thomalla aber auf seine Traumstute Ipanema, eine nahe Verwandte seines ersten Pferdes und die Begründerin seiner eigenen privaten Zucht. Sein Ziel: „In erster Linie will ich mir von meinem liebgewonnenen Pferd möglichst lange etwas bewahren. Und zum anderen will ich robuste Pferde für den Freizeitbereich haben. Eher zufällig zeigt meine Auswahl aber auch eine sehr gute Anlage für den Sport“, erklärt der junge Züchter. Um hier die richtige Entscheidung für den Hengst zu treffen, schaut sich Patrick Thomalla seine Stuten Ipa und Emmi genau an. Ihre Grundlagen entscheiden, welcher Hengst in Frage kommen kann. Denn in der Anpaarung vererbt die Stute 60 Prozent und der Hengst 40 Prozent der Anlagen. „Ipa hat einen hohen Vollblutanteil, ist unter dem Sattel feurig und vom Körperbau zierlich“, erklärt der junge Züchter. „Für sie wähle ich in der Hauptsache Hengste mit guter Dressuranlage aus, die etwas kräftiger sind.“
Emmi hingegen ist eine leichtfuttrige Stute, die schnell dazu neigt, zu dick zu werden. Sie ist vielseitig veranlagt und springt für ihr Leben gern. „Daher paare ich sie mit leichten Hengsttypen an. Und gerade mein aktuelles Fohlen hat mir gezeigt, dass diese Entscheidung richtig ist“, sagt Patrick Thomalla. Mit dem Hengstfohlen Vavavoom, einem Vidar-Sohn, hat sich der Lebenstraum des jungen Züchters vollendet.

Den richtigen Hengst finden

„Zucht ist am Anfang tatsächlich immer ein Ausprobieren. Du weißt beim ersten Fohlen nicht, ob dein Plan aufgeht oder nicht“, erklärt Patrick Thomalla. „Zu Beginn habe ich mich auch viel mit erfahrenen Züchtern unterhalten, um mein Auge und Wissen zu schulen.“ Er empfiehlt Zuchtunerfahrenen im Hinblick auf die Hengstauswahl erstmal auf das Gefühl zu hören, den Kandidaten auszuwählen, der gefällt und im Hinblick auf den Lebenslauf passt. „Ich werfe zusätzlich immer einen Blick in die Protokolle der Jungpferdeprüfung. Darin wird deutlich, welche Merkmale die Stute mitgegeben hat“, sagt Thomalla. „Später, wenn man sich schon etwas mit dem Thema befasst hat, sieht man auch eher, was man will und was nicht. Das Auge für den passenden Hengst schult sich automatisch, je mehr Hengste man sich ansieht.“

Der Einstieg in die Zucht

Bevor die Hengstfrage aber überhaupt wichtig wird, muss der Pferdehalter Mitglied in einem Zuchtverband werden. Denn an dessen Vorgaben sortiert sich die Checkliste, die vor der Besamung beachtet werden muss. „Welcher Verband da der passende ist, ist individuell. Ich habe mich für den entschieden, bei dem ich nicht hunderte Kilometer zur Zuchtschau fahren muss“, sagt Patrick Thomalla. „Das war in meinem Fall der Verband Deutsches Sportpferd. Zu den Zuchtschauen kann ich mit Fohlen bei Fuß reiten. Mein Hengstfohlen hätte ich zum Beispiel auch beim Hannoveraner Verband melden können, weil beide Eltern als Hannoveraner eingetragen sind.“ Eine Ausnahme bilden da häufig die Spezialrassen, wie Friesen, Isländer und Spanier. Sie sind in der Regel in eigenen Verbänden organisiert.

Gutes Management ist wichtig

Sind die formalen Bedingungen geklärt, beginnt das Zuchtstuten-Management. Schon vor Beginn der Zuchtsaison, d.h. vor der ersten Rosse seiner Stuten, stellt Thomalla sie beim Tierarzt vor und lässt sie tupfern, also auf pathogene Keime und CEM (Gebärmutterentzündung) untersuchen. Einmalig lässt er alle seine Zuchttiere auf den Gendefekt Warmblood Fragil Foal Syndrome (WFFS) untersuchen. Ein Fohlen mit WFFS ist in der Regel nicht lebensfähig. Ein Pferd mit WFFS ist für die Zucht nicht automatisch ausgeschlossen. Bei der Anpaarung muss jedoch genauer gewählt werden. Für Thomalla ist der Test also eine Investition in die Zukunft. Ist einmal belegt, dass ein Pferd WFFS negativ ist, sind auch die Nachkommen negativ. Auch in dieser Hinsicht bilden die Spezialrassen eine Ausnahme: Rassespezifisch gibt es verschiedene Gendefekte, die es zu beachten gilt. In diesen Fragen hilft der zuständige Zuchtverband weiter.

Bewegung für tragende Stuten

Passt die Checkliste bis dahin, übernehmen die Stuten selbst das Kommando. „Dann warte ich auf die erste Rosse“, sagt Patrick Thomalla. Seiner Erfahrung nach spielt das Wetter bei der Stutenrosse eine wichtige Rolle. Ist das Frühjahr warm und sonnig, beginnt die Rosse früher. Ist es kalt und feucht, zögern die Stuten ihre Paarungsbereitschaft gern hinaus. „Wichtig ist mir, dass die Stute vor der Besamung gut mineralisiert und nicht zu dick ist. Dann nehmen sie besser auf“, erklärt er. Passende Ernährung und regelmäßige Gymnastizierung sind für Patrick Thomalla das A und O. „Ich bin hauptberuflich Fitnesstrainer. Und ich stelle mir das bei Stuten ähnlich vor, wie bei einer Frau. Ist eine Frau sportlich und achtet auf ihre Ernährung, kann sich das auf das Kind übertragen“, erklärt er. „Deshalb halte ich meine Stuten gut in Schuss, passe die Ernährung regelmäßig an den Leistungsstand an und bewege sie ausreichend. Dazu kommt meine Haltungsform im Offenstall, wo meine Pferde hauptsächlich draußen auf ihrem Auslauf leben und rund um die Uhr mit Heu versorgt sind.“

Artgerecht und der Entwicklung des Pferdes entsprechend – auf diese beiden Kriterien setzt Jungzüchter Patrick unter andrem in seiner Haltung.
Foto: P. Thomalla

Schönste Zeit im Zuchtjahr

Gymnastiziert werden seine Stuten auch in der Trächtigkeit – in den ersten 40 Tagen nach der Besamung möglichst locker und ohne Stress, um kein Abstoßen des Embryos zu riskieren, anschließend dem körperlichen Leistungsvermögen entsprechend, ohne Stressbelastung bis zum achten Trächtigkeitsmonat. „Für manche Pferde bedeutet es Stress, wenn sich an ihrem gewohnten Ablauf plötzlich etwas ändert. Nun reite ich meine Pferde regelmäßig im Gelände, um sie gesund zu erhalten. Das könnte also Stress werden, wenn sie dann nur noch rumstehen, daher behalte ich die regelmäßige Bewegung bei. In den drei übrigen Trächtigkeitsmonaten vor dem Geburtstermin fahre ich das Programm sehr runter und hänge die Stuten maximal für wenige, ruhige Runden an die Longe“, sagt der junge Züchter. Nach der Geburt nimmt Patrick Thomalla seine Stuten schnell wieder in die Arbeit. Für ihn die schönste Zeit im Jahr. „Ich fange locker an der Longe an, damit sich meine Damen wieder an den Arbeitsmodus gewöhnen. Etwa sechs Wochen nach der Geburt setze ich mich dann für wirklich kurze Einheiten von maximal fünf bis zehn Minuten in den Sattel und gehe mit Mama und Fohlen ins Gelände“, sagt er. Die abwechslungsreiche Bewegung und die zahlreichen Erfahrungen, die die Fohlen bei diesen Ausritten machen, unterstützen ihre körperliche und geistige Entwicklung positiv und sichtbar.

Mutti-Gymnastik: Für Jungzüchter und Schabracken-Designer Patrick Thomalla ist die angepasste Bewegung seiner Zuchttiere wichtig, um sie gesund zu erhalten. Die Ausritte mit Fohlen zählen für ihn zu den schönsten im Jahr.
Foto: 4eternityphoto

Embryotransfer – Leihmutterschaft in der Pferdewelt

Kann eine Stute Topsportlerin sein und gleichzeitig mehrfache Mutter werden, ohne auch nur einen Tag aus dem sportlichen Pensum auszusteigen? Mit Hilfe der neuesten veterinärmedizinischen Erkenntnisse ist das möglich. Die Methode ist unter dem Begriff Embryotransfer bekannt und bezeichnet mehr oder weniger die Leihmutterschaft in der Pferdewelt. Über dieses Verfahren können herausragende Sportstuten in einer Saison sportliche Höchstleistungen erbringen und mehrere Fohlen bekommen. Um das zu erreichen, werden die Spenderstuten gedeckt. War die Besamung erfolgreich, wird die Gebärmutter der Spenderstuten etwa sieben bis neun Tage nach der Besamung ausgespült. Der Embryo wird im Labor auf seine Qualität geprüft, gewaschen und anschließend in die Empfängerstute – als Leihmutter – eingesetzt. Sie trägt das Fohlen aus und übernimmt die Aufzucht. Die Spenderstute kann mit der nächsten Rosse erneut besamt werden, um einen weiteren Embryo für eine neue Empfängerstute zu produzieren. Daher kann eine Stute in einer Zuchtsaison gleich mehrere Fohlen erzeugen. Der Embryotransfer ist nicht nur ein attraktives Verfahren für Sportstuten, sondern auch für diejenigen Stuten, die gute Anlagen haben, jedoch aus körperlichen Gründen selbst keine Fohlen austragen können. Das gilt auch für Zuchtstuten, die bereits zu alt geworden sind, aber herausragendes Erbgut besitzen. Sie können weiterhin gesunde Fohlen produzieren, obwohl ihr Körper nicht mehr in der Lage ist ein Fohlen auszutragen.

Ein Fohlen, zwei Mütter – der Embryo Transfer macht‘s möglich.
Foto: Adobe Stock

Management der Stuten wichtig

Um einen erfolgreichen Embryotransfer durchzuführen, müssen die Zyklen von Spender- und Empfängerstute aufeinander synchronisiert werden. Der Eisprung von Empfänger- und Spenderstute darf nur wenige Tage auseinander liegen, im Idealfall 48 Stunden. Die Chancen für einen erfolgreichen Transfer steigen dann. Ein Embryotransfer findet meistens in einer Pferdeklinik statt, um die nötigen Untersuchungen und Eingriffe zielgerichtet durchführen zu können.

Kriterien der Empfängerstute

Besonders als Empfängerstuten geeignet sind Pferde unter zehn Jahren. Sie sollten eine gute Fruchtbarkeit aufweisen, ausreichend Milch produzieren, einen gutmütigen Muttercharakter haben und der Größe der Spenderstute entsprechen. Diese Kriterien lassen sich am zuverlässigsten beurteilen, wenn die Empfängerstute bereits eigene Fohlen ausgetragen hat.

Genomische Selektion – Was bringt die Auswahl?

Hat mein Pferd züchterisch wertvolle Anlagen? Um diese Fragen genau zu beantworten, müssen in der aktuellen Zuchtwertschätzung einige Jahre ins Land ziehen. In dieser Entwicklungsphase hat das Pferd Zeit, sich zu entfalten und seine Anlagen unter Beweis zu stellen. Hat es eine hohe Fruchtbarkeit? Ist es leistungsfähig und gesund? Vererbt es bestimmte Krankheiten? Ohne eine gewisse Lebens- und Leistungszeit des Pferdes ist das bisher erst spät halbwegs einschätzbar gewesen. Erste Schätzungen sind im sechsten bis achten Lebensjahr des Pferdes möglich, die Erbleistung dagegen kann frühestens mit dem elften Lebensjahr des Pferdes beurteilt werden.

Gen-Analyse präzisiert

Doch die Veterinärmedizin spezialisiert sich im Hinblick auf die Antwort für all diese Fragen zunehmend auf die Theorie der Genomischen Selektion. Das bedeutet: Das Erbgut des Pferdes kann über eine Analyse der Genome, die sich im Zellkern des Tieres befinden, eingeschätzt werden. Aktuell passiert das über einen Vergleich der genomischen Information. Dabei werden die Werte von wertvollen Zuchtstuten und -hengsten mit denen von jungen, potentiellen Zuchtpferden verglichen. Über eine Haarprobe liegen die genomischen Informationen schon wenige Tage nach der Geburt des Fohlens vor. Der niederländische Zuchtverband KWPN nutzt dieses Verfahren bereits, um die Erblichkeit von Knochenerkrankungen überprüfen zu können. Die Gen-Analyse ersetzt in dieser Bewertung die Röntgendiagnose.

Genomik-Experten wie Dr. Mario von Depka Prondzinski plädieren für eine Berücksichtigung der genetisch optimierten Selektion, aber in Maßen. Denn die augenscheinliche Beurteilung der Zuchttiere kann durch die Genomische Selektion nicht vollständig ersetzt werden.

Gen-Analyse präzisiert

Doch die Veterinärmedizin spezialisiert sich im Hinblick auf die Antwort für all diese Fragen zunehmend auf die Theorie der Genomischen Selektion. Das bedeutet: Das Erbgut des Pferdes kann über eine Analyse der Genome, die sich im Zellkern des Tieres befinden, eingeschätzt werden. Aktuell passiert das über einen Vergleich der genomischen Information. Dabei werden die Werte von wertvollen Zuchtstuten und -hengsten mit denen von jungen, potentiellen Zuchtpferden verglichen. Über eine Haarprobe liegen die genomischen Informationen schon wenige Tage nach der Geburt des Fohlens vor. Der niederländische Zuchtverband KWPN nutzt dieses Verfahren bereits, um die Erblichkeit von Knochenerkrankungen überprüfen zu können. Die Gen-Analyse ersetzt in dieser Bewertung die Röntgendiagnose.

Genomik-Experten wie Dr. Mario von Depka Prondzinski plädieren für eine Berücksichtigung der genetisch optimierten Selektion, aber in Maßen. Denn die augenscheinliche Beurteilung der Zuchttiere kann durch die Genomische Selektion nicht vollständig ersetzt werden.

Zuchttrends in Deutschland

Wir haben uns gefragt, wie sich die Zucht verschiedener Rassen aktuell präsentiert, ob es Trends gibt und vielleicht auch die eine oder andere negative Tendenz. Autorin: Gabriela Grau

Friesen
Stephanie Dietrich, Friesen-Gestüt Wickeschliede

„Die Friesenzucht ist im Moment gefragter denn je. Bei den Anfragen wird deutlich, dass sich die deutschen Kunden eher den barocken, mittelgroßen Friesen wünschen und alle anderen Nationen den sportlichen, großen, rittigen Friesen. Dahingehend hat sich die Zucht in den vergangenen 100 Jahren wenig verändert. Denn auch damals gab es schon die großen, leichten, sportlichen Friesen.
Die Zahlen innerhalb des KFPS weltweit zeigen, dass die Zucht rückläufig ist. Während 2019 noch 4.000 Fohlen geboren wurden, sind es 2020 nur knapp 2.700 gewesen. Die Zahlen für die Zuchtsaison 2021 liegen uns noch nicht vor (Anmerk. d. Red.: z. Zeitpunkt d. Redaktionsschluss). Daher sind auch die Preise für Friesen im Moment sehr hoch. Ein großes Problem der Züchter aktuell ist auch, dass die Zucht immer kleiner wird und wir Züchter daher noch genauer die Stammbäume der Zuchttiere prüfen müssen, um einen hohen Inzucht- und Verwandtschaftsgrad zu vermeiden. Wir brauchen innerhalb der Friesenzucht eigentlich frisches Blut und es müssen die vorhandenen Hengste, die schon sehr niedrig in der Inzucht und im Verwandtschaftsgrad sind, mehr genutzt werden. Wenn jeder Züchter nur die populärsten Showhengste nimmt, dann erhöht sich unweigerlich die Inzucht in der Rasse.“

Hannoveraner
Ulrich Hahne, Zuchtleitung Hannoveraner Verband

„Die Zucht ist sehr vielfältig geworden. Das liegt insbesondere auch an den vielen unterschiedlichen Züchtercharakteren. Da gibt es den privaten Züchter, der sich aus seiner Lieblingsstute einen Nachkommen ziehen will. Ihm kommt es meistens auf einen robusten, aber sportlichen, rittigen und zuverlässigen Freizeitpartner an. Und es gibt natürlich auch die Züchter, die mit Zucht ihr Geld verdienen und in ihrer Anpaarung auch darauf bedacht sind, richtige Leistungsträger mit Olympiachance zu erhalten. Wir als Verband nehmen diese unterschiedlichen und sehr persönlichen Zuchtziele deutlich wahr und gehen darauf ein. Insgesamt ist die Hannoveranerzucht in den vergangenen 20 Jahren im Hinblick auf das Fundament deutlich edler und leichter geworden. Hierauf bezogen ist eine weitere Veredlung in vielen Fällen nicht mehr erforderlich und auch nicht ratsam.“

Trakehner
Erhard Schulte, Hippologe des Trakehner Verbandes

„Der Trakehner hat sich in den vergangenen 20 bis 30 Jahren sehr verändert. Das hängt hauptsächlich mit dem nachgefragten Sportpferde-Typ zusammen. Der ostpreußische Trakehner-Urtyp vor dem Zweiten Weltkrieg diente dem Militär. Er war daher mittelgroß und hatte flache Gänge. Auf langen Strecken war das für Pferd und Reiter bequemer, und für die Pferde eben auch gesünder. Sie waren in der Haltung entsprechend auch günstiger und entwickelten sich schneller. Heute wünscht sich der Markt ein großes, sportliches, dynamisches, vielseitiges Pferd. Die Zucht hat daher ein größeres Pferd hervorgebracht, mit viel Schulterfreiheit, einem aktiven Hinterbein und einem für den Reiter komfortablen Körperbau. Doppelgold-Gewinnerin Dalera BB ist ein gutes Beispiel für die aktuelle Trakehner-Zucht: Sie ist groß und hat ihre Sportlichkeit, Dynamik und Motivation in Tokyo unter Jessica von Bredow-Werndl herausragend gezeigt.
Umgekehrt brauchen so große Pferde eine längere Entwicklungszeit. Sie können nicht 3- oder 4-jährig schon voll belastet werden. Die schonende Ausbildung ist wichtiger denn je, um ein lange gesundes Pferd zu haben. Es ist daher nicht ratsam, die Pferde noch größer zu züchten. Und die Nachfrage zeigt auch, dass sie eher den mittelgroßen, robusten, edlen Pferdetyp suchen.“

Islandpferd
Lena Reiher, Zuchtleitung Islandpferde-Reiter- und Züchterverband e.V.

„Die Islandpferdezucht in den Ländern der FEIF (internationale Vereinigung der nationalen Islandpferdeverbände) hat ein klar definiertes Zuchtziel: das ideale Islandpferd ist ein gesundes, fruchtbares und langlebiges Pferd, ein robustes Islandpferd. Als Reitpferd ist es vielseitig einsetzbar und für unterschiedliche Anforderungen (Freizeitreiter, Wanderreiter, Sportwettbewerbe) geeignet. Daher liegt im Hinblick auf das Gebäude des Islandpferdes der Fokus auf Langlebigkeit, z. B. starke, korrekte Beine, Tragfähigkeit, natürlichem Gangvermögen und der Fähigkeit, sich unter dem Reiter in gutem Gleichgewicht und korrekter Körperfunktion und Haltung zu bewegen. Tatsächlich hat sich aus diesen Gründen die Größe des Islandspferds leicht nach oben verändert: die Durchschnittsgröße der Isländer, welche 2020 bei Zuchtprüfungen vorgestellt und gemessen wurden, war 142,3 Zentimeter. Dies ist in meinen Augen aber nicht besorgniserregend. Viel besorgniserregender ist die Tatsache, dass in Deutschland nur wenige Islandpferde bei Zuchtprüfungen vorgestellt werden. In Deutschland leben über 60.000 Islandpferde! Damit ist Deutschland nach Island das größte Zuchtgebiet. Trotzdem wurden hier in den letzten Jahren prozentual gesehen nur wenige Pferde bei einer FIZO (Zuchtprüfung, international vergleichbar) vorgestellt und bewertet. Deutschland könnte mit mehr FIZO-geprüften Islandpferden einen viel größeren Beitrag zur internationalen Zuchtwertschätzung leisten und damit den qualitätsvollen Zuchtfortschritt unterstützen.“

Pura Raza Espanol (PRE)
Andrea Müller-Lurz, PRE Gestüt Sueno Negro

„Hier in Deutschland beobachte ich eigentlich zwei Hauptlinien: die barocken PREs mit viel Karthäuser-Anteil und dann den eher sportlichen Typ, wie unsere Zuchtlinie, die auf einen charakterstarken, gangstarken PRE fokussiert ist. Unsere Pferde sind zwischen 1,60 und 1,70 Meter groß. Schon deutlich größer als der Urtyp der PRE, der doch deutlich kleiner gezüchtet wurde. Das hat sich inzwischen verändert. Ist aber noch in keinem besorgniserregenden Level angelangt. Weltweit betrachtet, tendiert die PRE-Zucht generell zu mehr Größe und Gangvermögen. Viele Interessenten wollen genau das und sind auch bereit, dafür hohe Summen zu bezahlen. Wir bei Sueño Negro setzen auf das robuste, nerven- und charakterstarke aber zugleich temperamentvolle Pferd, dass gut im Freizeitbereich und eben auch im Sport aufgehoben sein kann. All unsere Zuchtstuten werden daher auch geritten. So weiß ich, welche Veranlagungen sie vererben könnten. Unser Zuchthengst Financiero JF ist über den spanischen Zuchtverband ( ANNCCE) sowie über den Bayerischen Zuchtverband ( BZVKS) gekört und für Deutschland auch als Prämienhengst eingetragen. Er hat sich inzwischen bis zur Dressurklasse S qualifiziert. Dass die iberischen Pferde schon lange auch auf dem Dressurviereck glänzen, zeigte sich auch dieses Jahr bei den Olympischen Spielen in Tokyo 2020, hier sind vergleichsweise viele iberische Pferde gestartet. Sueño Negro ist auf die Zucht von dunkelbraunen und schwarzen PREs bedacht, ohne Campaneo (Glockenspielergang).“

Prämienhengst Financiero JF vom Gestüt Sueno Negro ist in der höchsten Dressurklasse erfolgreich.
Foto: J. Ströhlin